Strategien für die Zukunft der Berliner Straßenbahn
Berlin verfügt heute im internationalen Vergleich über ein sehr gut ausgebautes Schnellbahnnetz (S- und U-Bahn), welches nahezu alle wichtigen Korridore mit sehr großem Fahrgastaufkommen abdeckt. Ebenso ist das Busnetz in unserer Stadt überdurchschnittlich ausgebaut. Selbst dünn besiedelte Stadtrandbereiche verfügen ein flächendeckendes Angebot mindestens alle 20 Minuten an allen Wochentagen – ein anderswo in Deutschland und Europa keineswegs selbstverständlicher Standard. Beides sind wesentliche Grundlagen für die im deutschlandweiten Vergleich überdurchschnittliche Nutzung des Öffentlichen Nahverkehrs in Berlin.
Im Gegensatz dazu stehen viele innerstädtische Verkehrskorridore – überwiegend im Westteil der Stadt – die heute von Metrobussen bedient werden. Hier wird dem Fahrgast ein Angebot präsentiert, welches nicht den Anforderungen an ein wettbewerbsfähiges und wirtschaftliches Öffentliches Verkehrsmittel entspricht. So kommen die Busse auf den Hauptachsen trotz Busspuren und Ampelvorrangschaltung meist nur schleppend voran. Ihre Reisegeschwindigkeit liegt weit unter denen der innerstädtischen Straßenbahnstrecken auf eigenem Gleiskörper und erst recht unter denen des Autoverkehrs. Trotz teilweise sehr dichter Takte sind die Busse oft überfüllt, für den Fahrgast bleiben nur die unbeliebten Stehplätze, Kinderwagen und Rollstuhlfahrer kommen nicht immer mit. Durch permanentes Ein- und Ausfahren aus den Haltestellen, Ausweichmanövern gegenüber parkenden Autos, Lieferwagen und „schnell mal den Bus überholende“ Fahrzeuge liegt der Fahrkomfort prinzipiell weit unter denen eines Schienenverkehrsmittels.
Daher verzichten viele Berliner auf die Nutzung von Bussen. Im eigenen Auto steht es sich nun einmal wesentlich angenehmer im Stau als im überfüllten Bus – der auf den Hauptachsen fast permanent ausgebremst wird.
Nur wenn es gelingt, auf diesen Korridoren eine wesentliche Qualitätsverbesserung im ÖPNV zu erreichen, können innerhalb der Stadt wesentlich neue Kundenpotentiale erschlossen werden. Und diese liegen – wenn die Bedeutung und Fahrgastnachfrage auf den wichtigen Buskorridoren betrachtet – in einer Größenordnung, für die es sich lohnt in den Ausbau des Nahverkehrs zu investieren.
Die Straßenbahn ist als komfortables Schienenverkehrsmittel – weitgehend störungsfrei vom Individualverkehr trassiert und doch qualitätsvoll in den Straßenraum eingefügt und somit für alle Bürger der Stadt sichtbar und schnell erreichbar – bestens geeignet, neue Kunden für den Öffentlichen Personennahverkehr zu gewinnen. Praktisch alle in den letzten Jahrzehnten in deutschen und europäischen Städten neu gebauten Straßenbahnstrecken haben zu starken Fahrgastzuwächsen geführt – in der Verkehrsplanung wird daher vom „Schienenbonus“ gesprochen. Im Gegenzug haben Streckenstilllegungen und der folgende Einsatz von Bussen in nahezu allen Fällen für erhebliche Fahrgastrückgänge gesorgt – oft selbst in Fällen, wo die Busse in einem dichteren Takt eingesetzt wurden als vorher die Straßenbahn.
Zudem ist die Straßenbahn viel preiswerter als der Bau und der Betrieb einer U-Bahn und effizienter als der Betrieb von Bussen in einem dichten Takt (Personalkosten in Abhängigkeit von Fahrzeuggröße). Die Straßenbahn ist eine optimale wirtschaftliche Alternative für genau die Verkehrskorridore, wo wir heute viel Busverkehr haben.
Die oberste Priorität bei der Weiterentwicklung der Netzes sollte auf den Strecken liegen, wo die Straßenbahn den größten wirtschaftlichen Nutzen erbringt. Das bedeutet, dass die Straßenbahn vor allem in den Korridoren gebaut wird, wo viele neue Fahrgäste gewonnen werden und möglichst viel Busverkehr ersetzt werden kann.
Die im folgenden vorgestellten Strecken und Korridore beruhen auf der Koalitionsvereinbarung zwischen den Landesverbänden der SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/ Die Grünen für die Legislaturperiode 2016-2021. Dabei sind viele der Vorschläge für den Streckenausbau nicht unbedingt neu und bereits von verschiedenen Seiten in die Diskussion eingebracht worden – einige Strecken fanden sind schon länger Bestandteil verschiedener Planungsunterlagen des Landes Berlin, wie z.B. dem Stadtentwicklungsplan Verkehr.
Es ist auch in Berlin an der Zeit, endlich die Potentiale dieses Verkehrsmittels zu nutzen und somit einen wirklich exzellenten Öffentlichen Nahverkehr zu schaffen. Die Straßenbahn ist für einen zukunftsfähigen und wirtschaftlichen Öffentlichen Nahverkehr unverzichtbar. Und zwar sowohl auf dem vorhandenen Netz – und vor allem auch auf neuen, zusätzlichen Strecken. Pro Straßenbahn Berlin möchte dazu beitragen und und den Prozess der Planung und Umsetzung begleiten.
Hier findet sich übrigens der Nahverkehrsplan bis 2023 der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz und hier das Straßenbahn-Zielnetz für Berlin 2050 des Bündnisses Pro Straßenbahn.